Gustav Gerhardy an seine Eltern


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er.1 30 u. von mir beantw. eodem,
wogegen Adele morgen schrei
ben u. diesen Zeilen dann einer
Wäsche - Sendung einverleiben wird.

Trier, den 29. April 83 Liebe Eltern
Schon längst wartet Ihr auf eine
Zeile von mir, seitdem Ihr meinen
letzten etwas Mißmuthigkeit verrathen-
den Brief erhalten, aber wenn ich nur
auch an jedem Tage der vorigen Woche
fest vornahm zu schreiben, so kam ich
doch nie dazu. Die Schuld war das
nunmehr durch die Vorstellung am
Donerstag mit dem Praedikat „recht
gut“ beendete Kompagninexerzieren.
Putkamer, der zum ersten Mal dies
Praedikat erreicht, war selig und er¬
wartet uns Kompagnieoffiziere die¬
serhalb noch für unsere Anstrengun-
gen und unser Zugbimsen ein solen¬
nes , bereits avertirtes Frühstück
Aber wer in diesem Jahre das mili-
tairische Leben hier beobachtet hat
der kann Haarsträuben gekriegt
haben, denn so etwas von Wetteifer
der Kapitains vulgo Rommiskloppern
ist mir bis jetzt noch nicht vorgekommen
das kommt aber davon, weil unser
Divisionär genannt das Nebelhorn
mit jedem Jahre seine Ansprüche in
die Höhe schraubt. Unser Oberst hatte
bei dem am Donnerstag Mittag die
gute Vorstellung feiernden Liebes
mahl herrliche Laune. Es muß doch ein
schönes Gefühl für einen Oberst sein wenn Ihm gesagt wird, Herr Oberst
nun ich auch Ihr erstes Batallion
gesehen habe, so kann ich nur sagen,
Sie haben ein vorzügliches Regiment
Trotzdem mußten wir bei allem
vergnügt sein, das schönste entbehren
nämlich die Musik, wegen der Armee-
trauer, und deshalb endigte dies
Fest auch früher wie gewöhnlich,
nämlich schon Abends um 12 Uhr
während man sonst immer noch
Morgens um 3 oder 4 beim Bier
zu finden war. Ich habe mich an
den Burgunder und nicht an die Bowle
gehalten. Letztere war von 82 er
Purias gebraut und verursachte viel¬
seitig säuerliche Düfte (Raniy)
Auch schließe ich mich den soliden
an. Ich ging schon um 6 Uhr fort
spielte noch ein Paar Parthien
Billard und zog mich um 1/2 10 in
mein Wichwam zurück. Das Neuste
von hier ist die Entlobung von
Frl.. Heldberg. Der zukünftige
hat von seiner Braut die Schippe
gekriegt. Warum, darüber ver¬
lautet nichts. Doch wird wohl den
Eltern sein Spiel und seine Schulden
zu Ohren gekommen sein. Wir
haben uns überhaupt von vorn
herein über die Verlobung
mit dem alten leichtsinnigen
Ladenhüter gewundert. Mit
1000 herzlichen Grüßen verblei¬
be2 ich Euer Gustav


  1. Anmerkungen von Gustavs Vater 

  2. linke Seite Quergeschrieben  

Zuletzt geändert: 31.05.2024 16:36:40