Gustav Gerhardy an seine Mutter

Trier, den 30.09.1882


Seite 1

Seite 2

Seite 3

Seite 4

Trier, den 30.9.1882

Liebe Mutter,1

Dein2 so besorgter Brief treibt mich, Dir sofort Nachricht und zwar gute von mir und meinem edlen Pluto zukommen zu lassen. Ich habe mich von zwei Doktoren ohne das dieselben etwas voneinander gewußt, mit dem Kehlkopfspiegel und den anderen nötigen Instrumenten untersuchen lassen. Edler wie Haberstolz haben beide Luftröhrenkatarrh ohne jede Mitleidenschaft von Lunge Kehlkopf und Hals konstatiert. Die nöthigen Gegenmittel sind Ruhe und Schonung der Luftröhre, ferner Inhalation von einem Mittel aus der neusten Medizin, oleum Eucalypt. Globuli 15 Tropfen auf 400g Wasser. Diese Kur hat bis jetzt schon angeschlagen und wird mich binnen kurzer Zeit wieder ganz herstellen. Außerdem hat mir Eder, der, seit ich denselben imvergangenen Herbst das Meerschaumpfeifchen dediciert, sich sehr für meinen Gesundheitszustand interessiert, zur allgemeinen Körperstärkung Soolbäder und jede Woche gegen meinen Katarrh ein römisch irisches Bad verordnet, dann nehme ich auch wieder Chinin mit Eisen. Das einzige was dabei Kosten verursacht sind die Bäder. Jedes Soolbad kostet 1,20 im Abonnement mit 6? Salz. Ich gedenke 20 Bäder zu nehme[n]. 9 Soolbäder und 2 römischirische habe ich schon genommen. Die römischirischen Bäder kosten im Abonnement 1,50M das Bad. Also 10 Bäder 15 M. Demnach belaufen sich meine Ausglagen auf 39M. Diese bitte ich mir aus meinen Fonds vorzustrecken. So weit mein Befinden. Der Appetitt ist ausgezeichnet und Du weißt ja, daß der alle Kranken wieder gesunden läßt. Was die Milchtrinkerei anbetrifft, so kann ich keine bessere haben, als die ich täglich trinke und die, was Leopold bestätigen wird, ausgezeichnet ist, von dieser aber große Mengen täglich zu vertilgen, ist, ganz abgesehen vom Kostenpunkt, meinem Achterpörtchen nicht zuträglich, da ich sonst binnen 2 Tagen genöthigt bin zu einem Laxans zu greifen, so stopft die Milch. Mehr wie einen Liter trinke ich nie davon. Nun meinen Hund. Wenn doch die Menschendoctor auch ebenso kräftige Mittel anwenden möchten, wie ihre vierfüßigen Collegen. Pluto ist wieder völlig auf dem Zeuge, frißt wieder Menageüberreste in großen Quantitäten und wird wieder für billiges Geld dick und fett. Seitdem ich, wie eine sorgende Mutter, ihn gehätschelt, in Decken gewickelt und Medizin eingegeben habe, ist er zuthulicher und mobiler wie vorher, auch die von seinem Herrn anerzogene Scheu vor dem zweibeinigen weiblichen Geschlecht hat etwas nachgelassen. Soweit für heute mit herzlichem Gruß und Kuß in der Hoffnung, daß Deine mutterliche Besorgnis nunmehr schwinden möge Gustav

Grüße alles Grüßbare Gustav


  1. Erh. 1.10 und am 2. von mir bei Übersendung von 50 MK beantwortet 

  2. Transscription duch Sibylle Fährmann 

Zuletzt geändert: 28.05.2024 13:51:46