Gustav Gerhardy an seine Mutter


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Trier den 2 Nov. 1882
Liebe Mutter
Endlich komme ich dazu dir für deinen
lieben Brief für meine Wäsche und
die bereits verspeisten Fressalien zu
danken. Mein Kapitano ist endlich
wieder so weit gediehen, daß er seine
wenig vorzügliche Kompagnie wieder
übernehmen kann. Ich danke meinem
Schöpfer. In der kurzen Zeit meiner
4 wochentlichen Führung, habe ich, bei
meiner militairischen Auffassung der
Stellung, nicht weniger den 8 Arrest
strafen darunter 2 gegen Unteroffiziere
verhängen müssen, während der hohe
Chef in gleicher Zeit höchstens 1 oder 2 hat
Eine schon verluderte Bande. Na das
unter uns, weil ich gegen mein Prinzip
aus der Schule geschwätzt habe. Aber
wie das Herz ist gefüllt, davon es
sprudelt und überquillt. Ferner giebt
es nun auch in meinem anderen Dienst¬
zweig wieder Ruhe 240 tadellos brünierte
und reparirte Gewehre sind dem Bataillon
von mir übergeben. So kann ich mich
wenigstens bis zum 7ten d. M. wo unsere
Rekruten hier einpassiren noch recht aus
ruhen. Schonung ist nicht mehr nöthig da
mein Katarrh fort: Was das Wolle trage
anbetrifft, so wollen wir doch damit lie¬
ber nicht anfangen, denn sonst wird man
das Zeug sein lebtag nicht los und ver¬
wöhnt sich so, daß man sich desto leichter
erkältet. Alle diese kleinen Geschichten
wie Husten gg sind bei einigermaßen
verständigem Leben, nie von Bedeutung
und die Hauptsache ist sogar, daß man
sich bei unserem Stande nicht von der
Luft entwöhnt, sonst hat man, wenn
man wieder hinaus kommt, sofort
einen neuen Katarrh resp. Erkältung
an der Blase. Was ich aber beabsichtige
ist etwas viel wichtigeres. Ich muß
da man hier in Trier 350 Regentage
im Jahre zählt, für wasserdichtes Schuh
werk sorgen, denn auf unseren Exer¬
zirplätzen steht man beständig im
Schlamm; da ich ein klein Wenig faulen
uFuß habe, so muß ich mich vor Nässe
schützen, denn das ist das Gefährlichste.
Ich lasse mir eben wieder ein Paar Stie¬
fel bauen, wie ich sie frug bei meinen
Eintrift 79. Gummisohlen und Roßhaar¬
Einlage ferner lasse ich mir die Naaht
mit Gutta verkitten und das Leder mit
Gummithran bearbeiten, wenn das
nicht hilft, dann weiß ich nicht was besser,
der letzte Schritt wären nur noch russische
Pelzstiefel, wie die Husaren sie hier viel
beim Reiten tragen. Ich werde am 25ten hier abfahren und
zwar direct dieselbe route wie Leopold
Vielleicht ist Bruderherz so gut und schreibt
mir wo Anschluß am Besten auf Post¬
karte. Mein Hund ist definitiv zum
hierbleiben bestimmt, da sein Hin und
hertransport sich auf 20 M beläuft, wohin
er hier nur den ganzen Monat 2,50 M.
Verpflegung kostet. Hallwachs nimmt
den Hund in Pension, ich habe seinen Köter
Ja auch 4 Wochen während seines Urlaubs
bei mir gehabt. Eine Liebe ist der anderen
Werth. Wer weiß, ob ich meinen Liebling
noch lange werde halten dürfen. Es gibt
sehr hundefeindliche weibliche Wesen, ihnen
zu Liebe man oft Lieblingshunde im Stich
läßt. Mit Luxemburg ist es in diesem
Jahre, wie es scheint, Essig. Der Putkamer ist
in Paris erkrankt und wer weiß.
Mit innigem Gruß dein Sohn
Gustav

Zuletzt geändert: 28.05.2024 13:51:49