Gustav Gerhardy an seine Eltern


Seite 1

Seite 2

Seite 3

Seite 4

Trier, den 24. Sept. 1882.
Liebe Eltern
Ich habe zwar neulich für Sophiechen
einen Brief in Aussicht gestellt, wurde
jedoch an der Ausführung dienstlich ver¬
hindert. Bis heute habe ich noch keinen
Moment Zeit dazu finden können da¬
ich, nunmehr erstes Waffenrivisionsun
glied, permanent wachse, öle, richte, frische
und schmirgeln sowie auch brunire. Letz¬
teres nimmt mein und des Büchsenmachers¬
ganze Zeit in Anspruch. Heute, am Lieben
Sonntag, hätte ich wohl die Zeit dazu, aber
erst möchte ich doch lieber Euere beiden Lie¬
ben Briefe beantworten und für Wäsche
und Beilage, namentlich die schöne Butter
meinen Dank sagen. Was mein Befinden
anbetrifft, so kann ich betreffs meiner Au¬
gen ganz zu frieden sein, aber die Erkältung
die ich mir am 2 August in Hermeskeil
bei der Schießübung 5 Stunden bis
über die Knöchel zuweilen bis an die
Kine im Wasfer stehend und total durch
geregnet zugezogen habe, macht mir im¬
mer noch in meiner Luftröhre tief fest.
sitzend zu schaffen, da ich während des
Manovers nichts dafür thun konnte. Ich
gebrauche jetzt dagegen Römisch irische
Bäder und inhalire Soole. In Folge davon
löst sich mein Luftkatarrh jetzt etwas.
Viel schlimmer dagegen geht es meinem
armen Pluto, derselbe ist an einem Marsch
tage heiß durch die eiskalte Kyll ge¬
schwommen und hat sich in Folge hiervon
die Lungenentzundung geholt. Ich bin
sofort zum Thierarzt gegangen und bin
nen 6 Tagen fraß er schon wieder- Leider
hat er sich aber, als ich nicht dabei sein konnte
von meinem neuen Burschen, Jacob Willems
gefüttert, in Sauermilch, die ihm Kurgemäs
verordnet war, überfressen und in Folge
hiervon übergibt er sich bei dem geringsten
Genuß resp. frißt gar nicht. Hoffentlich
kann ich Euch in 8 Tagen unser beider
vollständige Genesung melden, da na¬
mentlich mein Appelitt ganz ausgezeichnet
ist und ebenso mein Körpergewicht den
ganz zufriedenstellenden status von 148
erreicht hat trotz Eifelmanöver- Hof¬
fentlich ist wenn ich nach Erfurt komme
das komplette halbe hundert voll, sonst würden viel¬
leicht die Spötter von mir sagen er wiegt
weniger wie sein Hund. Ein Fall, der
hier Thatsache ist. Nunmehr, nach dem
unsere drei von Kriegschule zurückge¬
kehrten Fähnriche, wie Ihr habt lesen können,
bereits Offiziere geworden sind, ist die
neue Offiziervertheilung im Regiment
bekannt gegeben. Danach bleibe ich
als jüngster (Rekruten) Offziers bei v. Prttauer. Ich
bin aber von den 4 wöchentlichen Ersatz¬
reservisten befreit. Ich erhalte am 4
November bis zum 24. Rekruten, gehe
dann bis nach Neujahr nach Erfurt,
und nach meiner Rückkehr wird in
Rekruten weiter gearbeitet. In ei¬
ner Beziehung ist mir das ganz lieb¬
Ich kann mich jetzt in Ruhe erst aus¬
kuriren, zumal mich mein Waffenre¬
visionsgeschäft meistens auf die Stube
führt. Mit der Singerei hat es leider
jetzt aufgehört, da mein Freund und
Pianobegleiter zur Unteroffizierschule
Bilirich abkommandirt ist. Doch
es dunkelt bereits stark und ich folge
schon seit langem Vaters Rathschlägen,
indem ich Abends keine Augenarbeit
mehr vornehme, sondern mit den Hühnern
zu Bett gehe zumal ich immer schon um
5 1/2 Zug mache.

mit freundlichem Gruß Euer Gustav

Zuletzt geändert: 28.05.2024 13:51:43