Am Anfang war die Vision
Weg vom Stigma - hin zur Selbstbestimmung
Anmerkungen zur Bernd-Best-Philosophie von Horst Strohkendl
Bernd Best war kein Philosoph, sondern studierte Physik an der Universität Bonn. Dies war zur damaligen Zeit keine Selbstverständlichkeit für einen Menschen mit einer hohen thorakalen Querschnittlähmung. Er war Initiator und Gründungsmitglied des RSC Köln-Lindenthal im Jahre 1969. 1971 verstarb er, völlig unerwartet, im jungen Alter von 27 Jahren. Welche Zeichen hat Bernd Best bei seinen Mitstreitern, zu denen sich auch der Autor dieses Beitrags zählt, hinterlassen, um von einer Philosophie zu sprechen?
Unbeschreibliche Bedingungen
Die ungünstigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Rollstuhlfahrer in den sechziger Jahren können Worte nicht beschreiben, geschweige denn dass sie mit Gefühlen nachempfunden werden könnten. Die Randständigkeit der Rollstuhlfahrer damals in unserer Gesellschaft wird dadurch am treffendsten beschrieben, dass sie das Sinnbild für Siechtum, Hilfsbedürftigkeit und menschliches Leid bildeten. Das Angewiesen sein auf >das Krankenfahrzeug Rollstuhl< bildete die Endstation therapeutischer Bemühungen. Dieser Annahme hat sich Bernd Best mit seinen Mitstreitern vehement widersetzt. Die Kraft für diese Auflehnung schöpfte er aus dem regelmäßigen Sporttreiben und aus der Pflege menschlicher Beziehungen in der Solidargemeinschaft der eigenen Rollstuhlsport-Gruppe sowie mit den Sportlern der sich neubildenden Rollstuhlsport-Vereine in Deutschland. Die Bernd Best Philosophie enthält politisch betrachtet zwei wichtige Merkmale:
- Emanzipationsstreben vom Stigma des Rollstuhlfahrer hin zur Mitbestimmung und Selbstbestimmung, und
- Pflege der Solidarität mit allen Rollstuhlfahrern.
zur Öffentlichkeitsarbeit
Die schmerzliche Ungerechtigkeit, die
die Rollstuhlfahrer im öffentlichen Leben auf >Schritt und
Tritt<
erfuhren, verleitete viele Betroffene zur Resignation und zum
Klagen
über die fehlenden Hilfen und das bestehende Desinteresse der
nichtbehinderten Gesellschaft. Die Selbsterkenntnis Bernd Bests, dass
man vor dem Unfall oder der Krankheit nicht anders wahrnahm und
handelte, wie die beklagten Nichtbehinderten, führte zu einer
wichtigen
Konsequenz:
- Den Willen und Mut zur Öffentlichkeitsarbeit mit sportlichen Veranstaltungen, und
- zum Kampf gegen die öffentliche Bürokratie.
Bernd Best und seine Kollegen waren sich nicht bewusst, dass sie im Sinne der para-lympischen Bewegung handelten, die 20 Jahre vorher Sir Ludwig Guttmann mit der Begründung der Stoke Mandeville Spiele in England auf den Weg brachte. Auch wussten sie nichts von einem Sportpädagogen Timothy Nugent, der bei der Gründung der National Wheelchair Basketball Association (NWBA) 1949 in Champaign-Urbana/USA die Selbstbestimmung der Rollstuhl-Sportler als bedeutsame rehabilitative Maßnahme durchsetzte. Der Zwang der Verhältnisse und die innere Kraft der Solidargemeinschaft des RSC Köln veranlasste sie im obigen Sinne zu handeln und sich zu wehren, an vorderster Stelle Bernd Best und der damalige erste Vorsitzende Guido Schievink. Geburtsstunde des Bernd-Best-Turniers Der unerwartete Tod von Bernd Best, der Schmerz über seine nicht erfüllten Visionen und Träume, mobilisierten die Kräfte der Hinterbliebenen. Handeln wie Bernd es sich erträumte wurde zum Auftrag für die Mitglieder des RSC Köln, insbesondere für Guido Schievink. 1972 wurde in Köln-Porz das erste Rollstuhlbasketball-Turnier mit 27 Mannschaften und zwei Leistungsgruppen durchgeführt. 1974 wurde das Bernd-Best-Turnier zur Plattform für die ersten konkreten überlegungen zur Gründung des Deutschen Rollstuhl-Sportverbandes (DRS). 1977 meldeten sich spontan und uneigennützig die Fußgänger-Schiedsrichter des Westdeut-schen-Basketball-Verbandes. 1986 trafen sich zur Blütezeit des Turniers 62 Mannschaften aus ganz Europa, die in vier Leistungsgruppen die Wettkämpfe bestritten. Einher ging eine wachsende öffentlichkeitsarbeit nicht nur über die Medien, sondern die vielen hundert Helfer und Zuschauer berichteten begeistert von dem sportlichen Ereignis und den vielen positiven menschlichen Begegnungen. Das weltgrößte Turnier stärkte das Selbstbewusstsein aller Beteiligten und schuf einen positiven Geist, der zum politischen Kampf in der öffentlichkeit ermutigte. Das Bernd-Best-Turnier bildete eine wichtige Basis für die Entwicklung des DRS in allen seinen Facetten sportlicher Betätigung. Die Veränderung der heutigen Umwelt im Sinne einer größeren und leichteren Mobilität für Rollstuhlfahrer sind die politischen Früchte, die mit der Solidarität der Rollstuhlsportler begann und den Visionen, die Menschen wie Bernd Best überall in der Welt entwickelten.
Das Bernd-Best-Turnier heute
Die Erben des Bernd-Best-Turniers erhoffen sich seit 1999, dass diese Philosophie mit ihren Prinzipien und Visionen auch den Menschen mit einer Tetraplegie und Personen mit vergleichbaren funktionellen Behinderungen zu Gute kommt. Die heutige Qualität des Rollstuhlrugby-Turniers übertrifft bei weitem die seines Vorgängers, dem Rollstuhlbasketball-Turnier. Doch werden Zweifel laut, ob die vielen heutigen Teilnehmer an dem weltgrößten Rollstuhlrugby-Turnier den Zweck und die Chancen der Bernd-Best-Philosophie für das aktive Sporttreiben vieler Schwerstbehinderten und für den politischen Kampf erkannt haben. Der Autor hofft, dass dieser kurze Rückblick mehr Menschen überzeugt, dass Rollstuhl-Rugby nicht nur ein attraktiver Sport ist, sondern Lebenshilfe für viele werden kann. Nicht zuletzt auch für viele nichtbehinderte Menschen, die eine sinnvolle Herausforderung in ihrem Leben suchen.
Horst Strohkendl
Aus Rollstulsport Jahrgang 23 Nr. 1 2004 Seite 20
Zuletzt geändert: 30.09.2024 14:11:46