Die Geschichte der Lantzkes
Autor: Dieter Otto
Unsere Großmutter Martha Lantzke, am 21.November 1857 in Berlin in der Brauhausstraße 7 ( später umbenannt in Kaiser Wilhelm Straße, der heutigen Karl Liebknecht Straße ) geboren und in der Marienkirche, wie ich an einem 25.Dezember getauft und auch dort konfirmiert, ist uns Enkelkindern noch gut in Erinnerung.
Ich nannte sie "Oma Steglitz", weil sie aus Steglitz kam und weil ich sie dadurch besser von meiner anderen Großmutter, die mit uns im selben Hause am Rudolfplatz wohnte, unterscheiden konnte. Sie war die Tochter des Papierfabrikanten Johann Lantzke, der in Falkenberg/Mark, zwischen dem Schiffshebewerk Niederfinow und Bad Freienwalde gelegen, eine entsprechende Fabrik besaß, die noch heute inihrer stark maroden Substanz und nicht mehr produktionswirksam zu besichtigen und zu fotografieren ist.
Der Ortsteil in Falkenberg nennt sich auch heute noch Papiermühle, Ihre Vorfahren stammen aus Grabow bei Stettin bzw. aus Wellmitz, Kreis Guben.
Die Lantzkes, aber auch die mütterliche Linie der Vorfahren unserer Großmutter, die Krey's, haben eine interessante und bewegende Ahnengeschichte, so dass es sich schon lohnt, mal darauf etwas ausführlicher einzugehen.
Die Grabower Vorfahren entstammen eingewanderten Hugenotten1. Nach Angaben unserer
Tante Frida soll unser Ururgroßvater Johann Krey ( übrigens Stabstrompeter und
Leiter der Militär- und Stadtkapelle in Grabow ) nicht nur den französischen
Namen seines Vaters, sondern damit offensichtlich auch den angestammten
französischen Adelstitel DE LA CROIX abgelegt haben und sich fortan nur eben
schlicht deutsch KREY genannt haben. Nach den mir vorliegenden
neuesten Erkenntnissen muss sich dieser Vorgang aber schon viel früher
abgespielt haben, denn danach hieß unser Urururgroßvater
( am 4. April 1766 geboren ) auch schon Friedrich Benjamin Krey (!).
Die Kreys stammen aus dem deutschen Friesenland,
führen ihr Geschlecht aber tatsächlich auf das französische Hugenotten -
Geschlecht de la Croix zurück, das im Rheinland
beheimatet war. Soweit gibt es eine Übereinstimmung mit den Angaben von Tante
Frida, wenn auch etwas zeitverschoben.
Interessanter jedoch ist die Ahnengeschichte der Lantzkes. Sie
reicht bis weit in das 13. Jahrhundert zurück. Im Jahre 1202 wurde der sogenannte Schwertbrüderorden gegründet. Neben anderen
Rittergeschlechtern gehörten auch die Geschlechter derer von Trubetzkoi und von L a n t z k o i dazu. Beide Geschlechter
waren durch Heirat und Freundschaft stark miteinander verbunden, ihre
männlichen Vertreter waren als tüchtige, strebsame und zuverlässige Granden am
russischen und später auch am polnischen Hofe sehr gern gesehen. Sie wurden u.a. zu Fürsten und Baronen von Kurland, das neben Estland
und Livland ( Litauen ) in langen Kämpfen von 1230
bis 1283 von dem Deutschen Orden erobert wurde, ernannt. Als nach der Blütezeit
des Ordens unter Winrich von Kniprode der allmähliche
Verfall desselben eintrat, wurde die Vereinigung von Litauen und Polen auch für
die beiden Geschlechter Trubetzkoi und Lantzkoi verhängnisvoll. Nach dem Sieg der Polen über den
Orden im Jahre 1410 in der Schlacht bei Tannenberg zerfiel derselbe recht
schnell, und auch das Geschlecht der Lantzkoi zerstob
in alle Richtungen. Einige von ihnen verblieben am russischen Hof. Und dabei
hat es ein Nachfahre dieses Zweiges so um die 370 Jahre später zu besonderen
"Ehren" gebracht. Der geliebte der russischen Zarin
Vorgenannter Ahne war nämlich einer der vielen Geliebten der alternden Zarin
Katharina der Großen. Diese ehemalige deutsche Prinzessin Sophia von Anhalt -
Zerbst, über ihren Gatten Zar Peter III nach dessen Ermordung selbst zur Zarin
gekrönt, führte zeitlebens bis ins hohe Alter ein berühmt berüchtigt
ausschweifendes Leben. Ungezählte Männer wurden in schnellem Wechsel als sogenannte "General - Adjutanten" ihre Favoriten.
Aber zu den auserwählt wenigen, die von ihr wirklich und von ganzem Herzen
geliebt und verehrt wurden, gehören neben dem bekannten Fürsten Potemkin der
erst 22 Jahre alte, den zeitgenössischen Berichten zu Folge eher unbeholfen und
gutmütig wirkende junge, erst gerade von der Kaiserin vom Leutnant der
Palastwache zum Offizier beförderte Lanskoi. In einem
mir vorliegenden Zeitungsbericht ist zu lesen, daß
dieses Verhältnis "trotz des ungemein großen Altersunterschiedes jedoch
besonders innig und ein wirklicher Bund der Herzen und Seelen gewesen sein soll. " Weiter heißt es in diesem Bericht: "Aber die
Tage dieses späten Glücks waren gezählt. Lanskoi
wurde von einer heimtückischen Krankheit befallen und starb. Wie eine Witwe
soll die Zarin für lange Zeit Trauer getragen haben .
" Somit ist zumindest die Frage geklärt, dass eben dieser junge Lanskoi nicht ein unmittelbarer Vorfahre unserer Familie
sein kann, sondern wenn überhaupt, höchstens zu einer Nebenlinie gehört. Wo
aber sind nun die anderen Nachfahren des ehemaligen Rittergeschlechtes derer
von Lantzkoi verblieben ?
Einige vertrieb es bis nach Frankreich, der kleinere Teil blieb in Estland, ein
großer Teil stellte sich jedoch in polnische Dienste. Dort stiegen dann
verschiedene Lanski's auch zu höchsten Ehren auf. Sie
waren u.a. Bischöfe in Gnesen,
Krakow und Warschau. In der Regel führten sie die Vornamen Albert, Johann und
Theodor. Die einzelnen Generationen hatten fast durchweg drei und mehr lebende
Brüder. Nach der Eingliederung Polens in das große Russische Reich flüchteten
verschiedene Familien nach Deutschland. Sie fanden eine neue Heimat in der
Gegend von Frankfurt/Oder, Guben, Grossen oder Kottbus. Unsere direkten Vorfahren ließen sich zunächst inOssendorf, im Landkreis Guben
nieder. Unser Ururgroßvater Gottfried Lantzke, am 9.
September 1794 in Ossendorf geboren, zog dann nach Wellmitz, in die Nähe des heutigen Eisenhüttenstadt. Dort
lebte er als Böttchermeister, heiratete im Jahre 1820 und verstarb bereits neun
Jahre später. Mit 34 Jahren verunglückte er auf dem Eise. In den amtlichen
Dokumenten ist darüber zu lesen: "Ein hitziges Fieber führte
wahrscheinlich zum Tode. Er war 28 Wochen krank, davon 10 Wochen blind."
Er hinterließ seiner jungen Witwe fünf Kinder, darunter unseren Urgroßvater,
seinen zweiten Sohn Johann Gotlieb, der beim Tode
seines Vaters noch keine sieben Jahre alt war. Dieser heiratete im Jahre 1849
eben jene Hulda K r e y aus Grabow bei Stettin, die eine einjährige,
offensichtlich uneheliche Tochter namens Emilie mit in die Ehe brachte. Der
Bruder Albert Krey besaß eine Bonbon - und
Schokoladenfabrik.
Die Papierfabrik in Falkenberg
Unser Urgroßvater Johann Gottlieb sollte auch bald eine
Fabrik besitzen, und das kam so: Er hatte sich mit seiner jungen Frau in
Berlin, in der Nähe des Alexanderplatzes, wie wir bereits wissen in der
Brauhausstraße niedergelassen. Dort betrieb er ein ( nach einem im Besitz von
Gisela befindlichen Foto sehr ärmliches ) Papiergeschäft. Doch er war sehr
tüchtig und fleißig und hatte alsbald mehr als gute Ersparnisse gemacht, aus
denen er eine Hypothek auf eben' jene anfangs erwähnte Papierfabrik in
Falkenberg erworben hatte. Da nun der' Eigentümer der Fabrik sehr bald in
Konkurs ging, wurde dieselbe im Ersteigerungsfalle für die Hypothek erworben
und unserem Urgroßvater als Eigentum übertragen. Aus der Tatsache, dass alle Lantzkeschen Kinder in der Brauhausstraße geboren, in der
gegenüberliegenden Marienkirche getauft, konfirmiert und später auch getraut
wurden und in der im gleichen Gebiet liegenden damaligen Poststraße zur Schule
gingen, ist zu entnehmen, daß die Lantzkes
nur zeitweilig in Falkenberg Quartier bezogen, ihr Hauptwohnsitz aber immer in
Berlin blieb. Johann Gottlieb Lantzke hatte neben der
erwähnten Adoptivtochter Emilie noch mindestens acht (!) eigene Kinder mit
seiner Frau, vier Söhne und vier Töchter.
Großmutter Martha
Unsere Großmutter Martha wurde 1857 als siebentes Kind geboren. Nur neun
Jahre später, ein bis zwei Jahre nach der Geburt des achten Kindes starb
Urgroßvater Lantzke auch gerade erst 44 - jährig,
ähnlich wie sein Vater an Lungenentzündung. In diesem Zusammenhang ist es schon
interessant, bei der Verfolgung einzelner Stammeslinien immer wieder gewisse
Gesetzmäßigkeiten zu entdecken. Während die Damen alle ein sehr ehrwürdiges Alter
erreichten (unsere Großmutter starb mit 85 Jahren, ihre Mutter mit 80 Jahren
und deren Mutter wiederum wurde sogar 87 Jahre alt ),
mussten ihre Männer hingegen viel zu früh das Zeitliche segnen. Unser
Urgroßvater starb mit 44 Jahren, wie wir gerade gelesen haben, dessen Vater
sogar schon mit 34 Jahren ! Durch die musikalische
Erbanlage seitens ihres Großvaters, des Leiters der Stadtkapelle von Grabow,
soll auch unsere Großmutter sehr talentiert gewesen sein und als junger Mensch
hervorragend Klavier gespielt haben. Wenn sie nicht geheiratet hätte, so wurde
immer gesagt, wäre sie bestimmt eine exzellente Pianistin geworden. Mit 22
Jahren hat sie, wie wir bereits wissen, den Trigonometer
Friedrich Otto geheiratet, in der Marienkirche, in der sie wie auch alle ihre
Geschwister getauft und konfirmiert wurde. Ich habe leider in keinen der mir
vorliegenden Unterlagen einen Hinweis darüber entdecken können, auf welche Art
und Weise sich unsere Großeltern kennengelernt haben - interessiert hatte es mich schon. Natürlich besonders im Vergleich zu der
ersten Begegnung ihrer Schwester mit ihrem Mann.
Überhaupt ihre Geschwister! - Seitdem ich von den meisten ihrer Brüder und
ihrer Schwester ein Stück ihrer bewegenden Lebensgeschichte kenne, finde ich
weit mehr Gefallen, mich mit ihrem Lebensweg zu beschäftigen, als mit dem
unserer Großmutter. Das mag aber auch daran liegen, dass einerseits das Leben
von Martha Otto recht unspektakulär verlief, andererseits aber die Schicksale
ihrer Geschwister mir bis vor kurzem völlig unbekannt waren. Was wissen wir nun
heute von ihren vielen Geschwistern ?
Von ihrer ältesten Halbschwester ist mir durch eine kurze Bemerkung in den
Aufzeichnungen des Willy Lantzke nur soviel bekannt,
dass sie als adoptiertes" Stiefkind bei ihren Geschwistern und den
nachfolgenden Anverwandten wohl keinen beneidenswerten Stand hatte. Besonders
ihre Kinder wurden später von den übrigen Mitgliedern der weiten Familie
weitestgehend gemieden.
Bruder Carl und das Ende der Fabrik
Der älteste Bruder Carl wurde im Jahre 1850 geboren. Er war
somit also mal gerade erst 16 Jahre alt, als der Vater starb. Das heißt zu
jung, um schon die Fabrik des Vaters zu übernehmen. Da wir aus vielen
Zeugnissen wissen, dass er aber später dieselbe geleitet hat, muss also in der Zwischenzeit
nach dem Tode unseres Urgroßvaters und der Übernahme der Fabrik durch den
ältesten Sohn, wann immer das gewesen sein mag, diese durch unsere Urgroßmutter
allein oder einen eingesetzten Verwalter geleitet worden sein. Den Berichten
des Sohnes Willy Lantzke nach, hat Carl Lantzke dann aber irgendwann, spätestens so um das Jahr
1885 die Leitung der Fabrik oder die Fabrik selbst aufgegeben und ist in das
Bankgeschäft eingestiegen. Über das weitere Schicksal der Papierfabrik,
zumindest was den Anteil der Lantzkes daran bindet,
konnte ich bis jetzt nichts Wissenswertes in Erfahrung bringen. Ich habe mir
vorgenommen, mal nach Falkenberg zu fahren, um im dortigen Heimatmuseum ( falls
vorhanden ) nachzuforschen. Carl Lantzke lebte damals
mit seinen insgesamt fünf Kindern in der Großen Präsidentenstraße Nr. 3, in der
Nähe des Bahnhofs Börse, heute Hackescher Markt, zog dann im Jahre 1892 in die Schönhauser Allee 134 a. Eine Straße damals noch ohne
Kanalisation und weit vor den Toren der Stadt. Die Familie zog in eine pompöse
Villa, mit Stubenmädchen und Köchin. In den Kindheitserinnerungen des Willy Lantzke ist von Weihnachtsspielen bei "Puhlmanns" die Rede ( in dem heute abgerissenen
Theater Puhlmann hat noch meine Mutter als Souffleuse
gearbeitet und meine Schwester Karin ist als Kind dort als Kleindarsteller auf
getreten ), er erinnert sich noch an die Pferdebahn, oder die grüne Niederschönhausener Bahn, die bis zum Hohen Steinweg am
alten Rathaus fuhr und daran, daß seine Eltern im
Jahre 1900 zur Weltausstellung nach Paris gefahren sind. Vier Jahre später war
dem Bankier Carl Lantzke die Gegend wohl nicht mehr
fein genug, er verkaufte die Villa und zog in den vornehmeren Westen, wo er
sich das Haus Savignyplatz Nr. 6 kaufte. Carl Lantzke
starb im Jahre 1926, - da war Gisela 8 jähre alt (!) Ich vermerke diesen
Umstand zunächst ganz kommentarlos, komme bestimmt aber noch einmal darauf
zurück.
Schwester Lina
- ein "Kleinod echter Frauenseele
Als zweites Kind wurde Lina Lantzke
geboren, die älteste Schwester unserer Großmutter, über die es viel zu
berichten gibt und zu der unsere Großmutter offensichtlich lange Zeit, wenn
nicht sogar bis zu ihrem Tode im Jahre 1925 ein gutes Verhältnis hatte. Ich
schließe das aus dem Vorhandensein eines Fotos, das unsere Großmutter mit ihren
Kindern Johanna, der späteren Mutter von Hilde Siebrecht und Tante Frida eben
mit ihrer Schwester Lina Baeskow und deren Tochter
Margarethe, die später den Sohn ihres gemeinsamen Bruders Carl heiratete,
zeigt. Es gibt sonst, zumindest in unserem und im Familienbesitz der Nachkommen
von Bruder Carl keine ähnlichen Bilder von Großmutter zusammen etwa mit einem
ihrer drei Brüder. Das Schicksal der Lina Lantzke
wurde entscheidend im Jahre 1872 geprägt. Damals war sie 21 Jahre alt und
weilte mit ihrem Bruder Carl, der inzwischen bereits die geschäftlichen Belange
der väterlichen Papierfabrik vertrat, in Falkenberg. Im August dieses besagten
Jahres wurde die Papierfabrik ein Raub der Flammen und sollte wieder aufgebaut
werden. Carl Lantzke hatte zusammen mit seiner jungen
Schwester Lina in einigen Räumen des der Fabrik gegenüberliegenden
Chausseehauses Quartier bezogen. Vor der Ausschreibung des Neubaus sollte
zunächst von einem Sachverständigen ( wahrscheinlich auch wegen der
Versicherungskosten ) ein entsprechendes Gutachten über den entstandenen
Schaden gefertigt werden. Die Wahl des Gutachters fiel auf den damals 28 -
jährigen Maurer- und Zimmermeister Emil Baeskow aus
dem benachbarten Bad Freienwalde. Durch entsprechende Protektion seines Vaters,
der zu dieser Zeit Pächter des besagten Chausseehauses war, wurde jenem Emil Baeskow auch der Auftrag zum Wiederaufbau der Falkenberger
Papierfabrik erteilt. Er fertigte die notwendigen Zeichnungen an und nach dem
Abschluss der Aufräumungsarbeiten wurde sofort mit der Rekonstruktion des
Gebäudes begonnen, so dass bereits im Dezember 1872 das Gebäude unter
"Dach und Fach" kam, wie in den späteren Aufzeichnungen des Emil Baeskow zu lesen ist. Am 18. Dezember 1872 kehrten Carl Lantzke und seine Schwester Lina, die dem Baumeister Baeskow durch die fast täglichen Besuche auf der Baustelle
inzwischen recht vertraut geworden war, wieder zurück in die Brauhausstraße
nach Berlin. Beim Abschied versprach sie ihm, dass er sie zum bevorstehenden
Weihnachtsfest in Berlin besuchen dürfte - was dann auch geschah. Lassen wir
nunmehr Emil Baeskow selbst sprechen. Er schreibt:
"Hier lag nun mein Lebensglück verankert, für das ich meinem Gott und
meinen lieben Eltern, die mich auf dieses Kleinod von echter Frauenseele
aufmerksam gemacht haben, Dank und Preis sage. Zum Osterfest 1Q73 wurde meine
mir lieb gewordene und stets in meiner Wertschätzung steigende Lina meine
verlobte Braut und am 19. Oktober des gleichen Jahres feierten wir in dem von
mir erbauten Herrschaftshause neben dem Fabrikgebäude unsere Hochzeit."
Lina Lantzke, jetzt Lina Baeskow
zog zu ihrem Mann nach Bad Freienwalde. Dorthin holte sie dann auch später ihre
Mutter, die wie ihr Mann, allerdings damals bereits 80 jährig, auf dem Eis
tödlich verunglückt sein soll. Das war im Jahre 1908. Urgroßmutters
Leichnam wurde dann aber nach Berlin überführt und auf dem Marienkirchhof
Prenzlauer Tor bestattet. Lina Baeskow starb, wie wir
bereits wissen, ein Jahr vor ihrem Bruder Carl im Jahre 1925, also mit 74
Jahren. Ihr Mann, Emil Baeskow starb im Alter von 89
Jahren im Jahre 1933 ( da war Gisela bereits 15 Jahre alt !
). Er war im Laufe seines langen Lebens zu großem Reichtum und noch größeren
Ehren gekommen. Er war königlicher Hofmaurer- und Zimmermeister, Ehrenbürger
der Stadt Freienwalde, Angehöriger der Stadverordnetenversammlung
und Mitglied des Kreistages, gewählter Direktor der Kreditbank, ausgezeichnet
mit dem Kronenorden IV. Klasse und nicht zu vergessen, er war Mitglied des
Gemeindekirchenrates (!). Und vor allen Dingen muss eines erwähnt werden, wenn
es auch nicht hundertprozentig erwiesen ist - aber es passt so schon in die
Familienchronik der Lantzkes.
Die große "Wiedervereinigung"
Wir erinnern uns an den Anfang der Geschichte des
Geschlechtes der Lantzkes. Da war die Rede von einer
durch Heirat und Freundschaft stark geprägten Verbindung mit dem
Rittergeschlecht derer von Trubetzkoi (!). Na, ist
der Groschen gefallen, wie der Berliner zu sagen pflegt? Natürlich -, die Baeskow's führen ihre Herkunft auf das alte Rittergeschlecht
derer von Trubetzkoi zurück, die als Beeskoi's nach Polen kamen, von da als Beeskows nach dem
Wendenland bis allmählich nach Storkow -Beeskow und
von hier mit einem Zweige als Baeskow's schließlich
in Schwedt an der Oder landeten, wo auch Emil Baeskow geboren ist. Ist das nicht eine herrliche
Familiengeschichte, wenn sich nach fast 500 Jahren der Trennung diese beiden
großen Geschlechter wieder vereinigen? Ich finde diese Idee so berauschend
schön, dass ich mir sage, es muss einfach so sein. Und gibt es einen besseren
Beweis dafür, dass an der Sache etwas dran ist, als die Tatsache, dass bereits
zwei weitere Generationen dem Vorbild ihrer Ahnen gefolgt sind und durch ihre
Heirat eine bleibende Verbindung zwischen den beiden Geschlechtern schmiedeten.
Da sind zunächst in der nachfolgenden Generation Dr. Hellmut Lantzke, der Sohn von Carl Lantzke,
der seine Cousine Margarete Baeskow, die Tochter
dessen Schwester Lina Baeskow im Jahre 1920
heiratete, sowie deren Bruder Alfred Baeskow, der
ebenfalls seine Cousine Hilde Lantzke heiratete, die
wiederum die Schwester von Dr. Hellmut Lantzke ist.
Und alle diese netten Menschen sind oder besser waren direkte Cousins bzw.
Cousinen von Georg und Kurt Otto. Dieses eben nur mal so nebenbei, weil es mir
beim Lesen der mir vorliegenden Aufzeichnungen, mehr noch beim Schreiben dieser
Zeilen immer wieder unfassbar erscheint, dass alle diese nach meiner Meinung
doch recht spektakulären Hochzeiten der Otto'schen Familie völlig verborgen
geblieben sein sollen. War denn niemand von ihnen auf je einer dieser
Feierlichkeiten? Nicht einmal die Tante zur Hochzeit ihrer Nichten und Neffen?
Weder Gisela, die ja immerhin schon gelebt hat, als dies geschah, noch ich habe
durch Erzählungen meiner Eltern je etwas davon gehört. Selbst Georg Otto, der
beim königlichen Hofmaurer- und Zimmermeister Emil Baeskow
zeitweise in die Lehre ging, hat offensichtlich zu späterer Zeit diese
Verbindung auch nicht weiter aufrecht erhalten, eben auch nicht zu dessen
Kindern, zu denen auch ein Drogist namens Kurt Baeskow
gehörte, der in Berlin in der Schwedter Straße 34
eine Drogerie eröffnete. Später zog dieser nach Schöneweide
in die Schnellerstraße. Und nun passierte folgendes, dass eines Tages ein Kunde
sich mit ihm näher anfreundete und dieser Kunde war ein gewisser Paul Scheel,
der Onkel von Elfriede Otto! So interessant schließen sich plötzlich und
unerwartet Familienreihen über Generationen. Und ohne dass Georg Otto
irgendeinen gewollten Kontakt zu seinem Cousin pflegte, war dieser aber immer
über alle wichtigen und unwichtigen Angelegenheiten der Familie informiert. Und
wen wundert es da, dass zur Beerdigung von Georg Otto plötzlich ein bis dahin
völlig unbekanntes kleines Männlein in Cut und Zylinder auftauchte und
behauptete, der Cousin von ihm zu sein. Der Sohn von diesem Kurt Baeskow, ein gewisser Erwin Baeskow
hatte ein Fuhrgeschäft in Hohenschönhausen, besaß dort ein schönes altes
Chausseehaus, das später im Zuge der Neubesiedlung einem hässlichen Plattenbau
weichen musste, nannte einen großen Baum auf dem Hofe sein eigen, in dem nachts
die Hühner schliefen und hatte den Stall voller Meerschweinchen, die er für
Versuchsabteilungen der Charite züchtete. Seine Tochter war dann später eine
Zeitlang eine Kollegin von Helga Otto in der Apotheke! Doch zurück zu dem
"Vereinigungsprozess" der Lantzkeschen und Baeskowschen Generationen. Denn auch die bereits dritte
Generation wollte offensichtlich dem Vorbild ihrer Väter in nichts nachstehen.
Die Enkeltochter von Emil Baeskow, die Tochter seiner
Tochter Eise, eine gewisse Leni Winter, heiratete den Enkelsohn von Carl Lantzke, einen gewissen Willi Lantzke,
und das ist nun schon unsere Generation. Aber wir sind inzwischen sehr
weiträumig vom eigentlichen Thema abgekommen. Wir waren zuletzt bei der Aufzählung
der weiteren Geschwister unserer Großmutter. Nun, als drittes Kind der Eheleute
Johann Gottlieb und Hulda Lantzke wurde 1852 oder
1853 die Tochter Olga geboren, die aber bereits im Kindesalter wieder gestorben
sein soll, ebenso erging es den Lantzkes mit ihrem
vierten Kind, dem zweiten Sohn Richard, der entweder 1853 oder 1854 geboren
sein muss. Eines der beiden Kinder muss aber zumindest noch mit 10 oder 12
Jahren gelebt haben, weil auf einem Foto, das im Besitz der Lisa Balsam ist,
Urgroßmutter Lantzke mit acht Kindern zu sehen ist,
und das kann ja erst nach der Geburt des letzten Kindes im Jahre 1864 gewesen
sein.
Warum ging Albert Lantzke nach Amerika?
Im Jahre 1854 oder 1855 wurde als fünftes Kind der dritte
Sohn Albert geboren. Von ihm wissen wir nur, dass er ausgerechnet im Jahre
1880, dem Hochzeitsjahr unserer Großeltern, in die Vereinigten Staaten von
Nordamerika auswanderte. Trotz intensiver Bemühungen meinerseits ist es mir
nicht gelungen herauszufinden, welches die Beweggründe dafür waren. Ob es
Streitigkeiten mit seinem älteren Bruder gegeben hat, der durch seine
privilegierte Stellung als Fabrikbesitzer dazu durchaus Anlass gegeben haben
könnte? - Dazu die exponierte Stellung seines Schwagers in Bad Freienwalde. Ich
könnte mir durchaus vorstellen, dass er es seinem Bruder und Schwager mal so
richtig zeigen wollte, wie man in der Neuen Welt zu Ruhm und Ansehen gelangt.
Nun, Albert Lantzke heiratete in den Vereinigten
Staaten eine gewisse Minna Hagen und hatte eine Tochter Francis mit Namen.
Dieses Mädchen war offensichtlich die einzige Cousine ( von immerhin 16 oder 18
Cousins und Cousinen! ), zu der zum Beispiel Kurt Otto
in Spandau engere Verbindungen pflegte. Denn im Jahre
1935 schickte er seine damals 17 Jahre alte Tochter Gisela in die Staaten, um
Cousine Francis zu besuchen, Gisela schätzt, daß
Tante Francis damals so um die 50 Jahre alt war. Verheiratet war sie mit einem
Amerikaner namens Earnest Cobb.
Diese beiden hatten wiederum eine Tochter, Elise mit Namen, im Jahre 1914 kam
sie zur Welt. Diese heiratete einen gewissen George Balsam - und deren Tochter
Tina ( 1955 geboren ) kreuzte eines Tages ganz unvermittelt bei uns in Berlin
auf, um uns zu besuchen. Sie war damals am Opernhaus in Hannover als
Korrepetitor angestellt. Später lernte ich dann auch ihre Mutter Elise Balsam
kennen, die uns zusammen mit ihrer Tochter Tina noch in unserer alten Wohnung
am Rudolfplatz besuchte, kurz nach Claudias Geburt,
Lange Zeit waren wir der Meinung, daß Hans - Jürgen
Otto und "Schwipp" -Cousine Elise die einzigen nahen und fernen
Verwandten jenseits des Kontinents sind, aber seit kurzem wissen wir, daß noch ein Enkelsohn von Großmutters ältestem Bruder Carl
ebenfalls in den Vereinigten Staaten lebt.
Großmutters Neffe Gerhard, der jüngste Sohn von Carl Lantzke,
ist 1950 mit seiner Frau Grete ebenfalls in die USA ausgewandert. Von ihm wird
erzählt, daß er in seiner Jugend ein toller
Frauenheld gewesen sei. Vater Carl hatte eines Tages die Faxen dicke ( wie der
Berliner sagt ) und verordnete seinem Sohn die junge Dame zu ehelichen, mit der
er gerade liiert war. Dieser folgte dem ultimativen Ratschluß
seines gestrengen Herrn Papa und heiratete eben jene Grete Heinemann,
Wie schockiert aber war der Rest der großen Familie, als man zur Kenntnis
nehmen mußte, das Grete Heinemann Jüdin war!
Die Familie Lantzke hat sie in den folgenden Jahren
peinlichst gemieden und nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde
auch von höherer Stelle dem Ehemann Gerhard Lantzke
angetragen, sich von seiner Frau zu trennen. Es gereicht dem ehemaligen
Hallodri zur Ehre, daß er treu zu seiner ihm
anvertrauten Gattin gehalten hat. Eine Kriegsverletzung aus dem 1. Weltkrieg,
die daraufhin erfolgte Auszeichnung mit dem "Eisernen Kreuz" und vor
allen Dingen eine alte Freundschaft mit einem NSDAP - Gauleiter, rettete seine
Frau vor der Verschleppung in ein Konzentrationslager. Sie brauchte nicht
einmal den Judenstern zu tragen.
Die ablehnende Haltung der Lantzkeschen Familie ihr
gegenüber hat die Grete aber offensichtlich nie verwunden. Selbst nach ihrer
Ausreise in die USA hat sie es abgelehnt, sich mit ihrem Neffen Hellmut Hahn zu
treffen, als dieser mal vor Jahren seinen Onkel in den Staaten besuchte. Ihr
Sohn Ralph lebt aber noch als Pensionär im Staate Tennessee und hat seinen
Sommersitz auf Florida. Sein Vatername war ihm aber offensichtlich für
amerikanische Verhältnisse zu kompliziert und so änderte er ihn schlicht von Lantzke in Lane,
Unsere dritte und direktere Linie aber führt, wie bereits erwähnt, über den
Enkelsohn unserer Großmutter, meinen Cousin Hans - Jürgen in die USA.
Jürgen hatte als junger Soldat unter dem "Wüstenfuchs"
Generalfeldmarschall Rommel im Afrika - Corps gegen die Engländer gekämpft und
war dann in der Silvesternacht von 1941 zu 42 in Bardia,
in der Nähe von El Alamein, wo Rommels Vormarsch
schließlich im Juli 1942 zum Erliegen kam, in Gefangenschaft geraten. Über
Südafrika, von dort per Schiff über den Indischen Ozean zunächst nach
Australien verfrachtet, landete er aber schließlich in den USA. Da die
Amerikaner, inzwischen auch Kriegsgegner der Deutschen, aber wegen fehlender
direkter Feindberührung noch keine eigenen Gefangenen gemacht hatten, kam man
mit den Engländern überein, ein Teil der deutschen Kriegsgefangenen in die USA
zu verlagern. Und so kam Hans - Jürgen über Californien
zunächst nach Alva in Oklahoma in ein Camp.
Nach Kriegsende ließ er sich zur Zuckerrohrernte nach San Martinsville
in Louisiana verpflichten, stand dann aber sehr bald wieder im medizinischen
Dienst in Richmond / Virginia. In über 4 Jahren
Gefangenschaft hatte er über San Francisko / Californien, New Mexico,
Oklahoma, Arkansas, Louisiana und Virginia die gesamten USA von West nach Ost <span
class=SpellE>durchquehrt und war schließlich im März 1946 in New York
gelandet. Von hier durfte er einen Monat später über den "großen
Teich" wieder nach Deutschland zurück, wo er dann auch bald entlassen
wurde. In seinen Memoiren "Remembered and <span
class=SpellE>Retold" schreibt er, daß er
damals" nichts sehnlicher wünschte, so bald als möglich, in das Land so
voller vielseitiger Möglichkeiten zurückzukehren!"
Nach seiner Eheschließung mit Irmgard Oberst, die all die langen Jahre des
Krieges und der Gefangenschaft auf ihn gewartet hatte und der Geburt seines
Sohnes Rainer im Januar 1949, hat er sich dann endlich im Oktober 1950 seinen
großen Traum verwirklichen können.
Erst jetzt im Jahre 1994, quasi über 50 Jahre danach, habe ich erfahren, daß Hellmut Hahn, der Enkelsohn von Großmutters Bruder Carl
Lantzke, genauso wie Cousin Hans - Jürgen als junger
Leutnant im Afrikacorps unter Rommel gegen die Engländer kämpfte und bei Tunis
in Gefangenschaft geriet. Auch er wurde, wie Jürgen, in die USA verlagert und
dort zeitweilig in der Ernte eingesetzt. Nach seiner Entlassung aus der
Kriegsgefangenschaft ließ er sich in Westdeutschland nieder, denn er wollte
Berlin, seine Heimatstadt in der Erinnerung behalten, wie er sie vor der
Zerstörung verlassen hatte.
Nun aber wieder zurück zu den Geschwistern meiner Großmutter, den Kindern der
Familie des Johann Gottlieb Lantzke.
Als sechstes Kind meiner Urgroßeltern wurde Tochter Hedwig geboren. Das <span
class=SpellE>muß im Jahre 1855 oder 56 gewesen sein. Von ihr ist
offensichtlich überhaupt nichts bekannt.
Dann folgte, wie wir bereits wissen, im Jahre 1857 als siebentes Kind unsere
Großmutter.
Und erst sieben Jahre später, im Jahre 1864, kam Richard das
"Nesthäkchen", wie ihn Willy Lantzke in
seinen Aufzeichnungen liebevoll bezeichnete, zur Welt
Das Geheimnis um Onkel Richard
Mit "Onkel Richi", wie ihn alle nannten, die ihn liebten und verehrten, werden wir uns wohl oder übel länger beschäftigen müssen. Er dürfte in meinen Augen die Zentralfigur des offensichtlichen schweren Konfliktes sein, den es für meine Begriffe zwischen unserer Großmutter und ihren Geschwistern de facto gegeben hat - auch wenn die heute noch Lebenden entweder davon nie nichts gehört haben wollen oder sich nicht mehr daran erinnern können.
Mir jedenfalls ist es noch recht eindringlich im Bewußtsein,
daß in Gegenwart unserer Großmutter nie von ihren
Brüdern gesprochen wurde, Es lag immer wie ein Schleier des Geheimnisvollen
über dieser ganzen Angelegenheit - und Begriffe wie Börsenkrach, Verschuldung
oder Unterschlagungen wurden im Zusammenhang damit genannt, wie gesagt, wenn
überhaupt darüber gesprochen wurde oder gesprochen werden durfte.
Ich als Kind, so kann ich mich heute noch erinnern, habe dann immer lange Ohren
bekommen, wenn ich auch nie verstanden habe, worum es eigentlich ging.
Auch alle derzeit noch lebenden Zeitzeugen können mir in dieser Hinsicht nicht
helfen. Hellmut Hahn, der Enkel von Carl Lantzke,
kann sich noch an fortwährende Erbstreitigkeiten während seiner Kindheit
erinnern. Da ging es immer um ein Haus oder Grundstück in Pankow. Handelte es
sich dabei um das Mietshaus, das auf dem Grundstück der Lantzke'schen
Villa gebaut worden ist? Hellmut Hahn weiß nur noch, daß
seine Eltern immer völlig echauffiert von den Versammlungen der zerstrittenen
Erbengemeinschaft nach Hause kamen, einzig und allein von dem herrlichen Essen
in einem Nobelhotel am Bahnhof Zoo schwärmend.
Es muß doch merkwürdig stimmen, wenn ich heute
verwundernd feststellen muß, daß
noch eine Menge Fotos von unseren Großeltern den Krieg überdauert haben - aber
es ist keines darunter, das Großmutter Otto mit ihren Geschwistern zeigt! Auch
Gisela hat offensichtlich kein derartiges Foto - auch keines von "Onkel Richi".
Alles was ich über Richard Lantzke weiß, ist mir von
Frau Ellen Diedrichs, der Kollegin meiner Frau übermittelt worden. Als
Trauzeuge ihrer Eltern hat sie auch noch heute eine gute persönliche Erinnerung
an ihn.
Ein paar einprägsame Details kann man aber auch den Aufzeichnungen seines
Neffen Willy Lantzke entnehmen. Wollen wir mal darin
blättern. Willy Lantzke schreibt: "Unser Onkel Richi war sicherlich die aufgeschlossenste Persönlichkeit der ganzen Verwandtschaft, Sein Grundsatz war stets weniger scheinen als sein (Moltke), Darum wurde er auch von der Mehrzahl der Verwandten stets unterschätzt hinsichtlich seiner geistigen Fähigkeiten."
Er war einer der besten Onkels, die es je gab. Im Schenken über alle Maßen großzügig, Mit 6 Jahren schenkte er mir eine Harmonika, Gerhard bekam einen richtigen großen Hafen, Hellmut erhielt von ihm einen alten Leierkasten und den Zoologischen Garten. Hilde und Lina erhielten große Verkaufsläden, Außerdem beschenkte er im rechten Maße auch die Otto' sehen Kinder und kümmerte sich als fast einziger noch um die sonst von den anderen gemiedenen Kinder von Tante Emilie (Das war die uneheliche Tochter von Hulda Lantzke, wie wir wissen).
Auch die erwachsenen Neffen hatten viel von ihm, Erich und Willi Baeskow, Kurt und Georg Otto."
Dem Adreßbuch unseres Großvaters aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg ist zu entnehmen, daß es damals also noch Kontakte zu Richard Lantzke gegeben haben muß. Großmutters jüngster Bruder war zu dieser Zeit Direktor der Diskontobank und wohnte in der Prinzenstraße 76.
Nach Angaben von Frau Diedrich kam er nach dem Kriege in Zusammenhang mit
ehemals gezeichneten Kriegsanleihen in große finanzielle Schwierigkeiten,
verlor seine Position als Direktor und mußte seine
schöne Wohnung in der Prinzenstraße aufgeben.
Eine Bekannte in der Alten Schönhauser Straße nahm
ihn bei sich auf. Sein Schwager Emil Baeskow übernahm
seine Schulden, bei der Hochzeit von Erwin Baeskow im
Jahre 1934 war er Trauzeuge, wie wir bereits hörten. Danach fühlte er sich mit
dieser Familie eng verbunden und hat die Eltern von Frau Diedrich (in dem
Chausseehaus mit dem Hühnerbaum !) oft besucht.
Später ging er in ein Altenheim für ehemalige Kaufleute in Berlin - Weißensee.
Auch die Familie seines Neffen Dr. Hellmut Lantzke
besuchte er oft. Er war dort regelmäßig sonntags zum Mittagsessen eingeladen,
und nachdem die Lantzkes Anfang der dreißiger Jahre
Berlin verließen und nach Thüringen zogen, hat er auch dort des öfteren zu Besuch geweilt.
Auch in der Familie seiner Nichte Lina Lantzke (mit
Hans Hahn verheiratet) war Onkel Richard ein gern gesehener Gast, als diese
noch in Steglitz wohnten. Die Kinder des Hauses Hahn nannten ihn Onkel "Trulala", weil er immer gerne sang, aber oftmals den
Text zu den gesungenen Liedern vergaß und dann eben nur ein "la - la -
la'' von sich gab. Carl Lantzke's Enkel Helmut Hahn
erzählte mir, daß Onkel Richard den Kindern auch
immer gern die herrlichsten Geschichten erzählte, bekannte aber auch selber
erdichtete.
Nur die Otto's hat er offensichtlich nie besucht,
denn ich habe ihn nie zu Gesicht bekommen, geschweige denn jemals etwas über
ihn oder von ihm gehört, - und Gisela nicht und Hilde nicht!
Selbst als unsere Großmutter im März 1943 starb, war er nicht auf der
Beerdigung seiner Schwester. Wer weiß ob die Nachricht von ihrem Tode überhaupt
bis in das nahe Weißensee gedrungen ist. Immerhin war Großmutter die letzte
Lebende seiner Geschwister. Was mag da vorgefallen sein, daß
sich meine "Oma Steglitz", die ich immer nur als liebe, gütige und
offenherzige Großmutter in Erinnerung habe, gegenüber ihrem letzten kleinen
Bruder so verschlossen hat, daß selbst über den Tod
hinaus eine Versöhnung nicht möglich war.
Nur ein oder zwei Jahre später soll der liebe "Onkel Richi"
gestorben sein.
Es ist schon als tragisch anzusehen, daß von dem
langen ausführlichen Bericht des Willy Lantzke
ausgerechnet die Seiten, auf denen etwas zu den letzten Lebenstagen und den Tod
des Richard Lantzkes gestanden haben muß, verloren gegangen sind.
So hat der einzige, der unsere Neugier hätte eventuell noch befriedigen können,
das große Geheimnis um "Onkel Richi" mit
ins Grab genommen.
Es sollte wohl so sein!
-
Die Geschichte mit den Hugenotten und dem Adelstitel ist vermutlich einfach falsch, es gibt kein Dokument was darauf hindeuten würde. Es ist vielleicht zu viel Phantasie bei Tante Frida gewesen. - Anmerkung von Daniel ↩
Zuletzt geändert: 04.08.2024 15:47:30