Gisela schreibt an ihre Mutter Ruth
(Der erste Teil des Briefes fehlt!)
...
Die Möbel, die Du siehst, sind alle Mahagoni und leider sieht man
nicht die schöne Maserung, besonders beim Tisch. Seit einem Jahr ha-
ben wir zwei Sessel bestellt, die demnächst kommen sollen, so dass
sich doch ein Zimmer langsam zur Vollkommenheit rundet.
Die Bücherbords sollen mit dem Wachsen der Bücher dann bis zur
Decke reichen, das hat mir damals bei Lukow so schrecklich gefallen.
Und wenn wir all unsre Bücher zusammen tun, dann gehen die beiden unge-
fähr voll. Ein Schreiner hat sie noch als letztes gezimmert, dann
schloss er seine Werkstatt, sie sind auch aus Mah. und seheh ganz
prima aus. Der Teppich ist aus Schafwolle und findet sich ganz gut
zu den dunklen Möbeln1
.
Besteht eigentlich noch die Losung: Wer als erster heiratet, kriegt
einen Flügel ?
Übrigens wissen Weihers seit einem Monat, dass wir veiheiratet sind.
Es hatten sich bei ihnen Gerüchte geballt, die einer Aufklärung
harrten, den Anstoss gab ein katholische Schwester, die nach meiner
neuen Adresse fragte, damit wir uns kath. trauen lassen sollten. Herr
v. Weiher plagte auch manchmal sehr die Neugier und er überfiel uns
und war schrecklich nett zu Hapunz, wir bewirteten ihn mit Trauben-
saft und Salzstangen und er hat sicher keinen schlechten Eindruck
von unserer Ehe. Sie schrieb mir einen sehr netten und verstehenden
Brief. Frau Veil2
weiss es auch und schenkte uns einen Krug, den ich
zum Milchholen benutze und um um ihr zu schmeicheln, schrieb ich es
ihr, und sie war äusserst entsetzt, wie ich ihre Geschenke degradiere.
Ich arbeite augenblicklich an der pilosophitchen Vorbereitung der
Mystik und komme da auf sehr denkenswerte Gebiete und finde immer
mehr, dass die ganze Philologie nur Sinn hat, wenn man die ganz genaue
philosophische Grundlage kennt. Wenn man tatsächlich mal einen Zu-
sammenhang durch eigenes Forschen begreift, dann vergisst man auch
nichts mehr, es dauert immer nur so lange, ehe man dahinter kommt, wie
man richtig anfangen muss, an eine Sache, ein Thema heranzugehen.
Viellei
cht brauche ich auch nur so lange. Der "Windelband, Gesch. der Philo-
sophie", das Buch für mich, ist der verwandt mit unserer Spandauer
Möhn? Hapunz sagt grade, noch eine halbe Stunde, und die Bilder sind
trocken.
Viele herzliche Grüsse an Tante Hella, Hapunz lässt noch
besonders Schwager Eckart grüssen, der soll mir doch an-
geblich am ähnlichsten sein,
und dann danken wir noch einmal für Deinen lieben Brief.
1 Schrank, Spieltisch und Stuhl stehen noch heute im Wohnzimmer. Den Schreibtisch, an dem heute der Stul steht, hat ihr Tante Olge vererbt (siehe Fußnote 2).
2 Eine Freundin, die Gisela in Perugia kennengelernt hat, wo sie ein Auslandssemester studiert hat. Frau Veil hatte eine Tochter, die reich verheiratet in Mannheim lebte, sie selber lebte mit Tante Olga zusammen in Heidelberg.
Zuletzt geändert: 04.08.2024 13:43:33