Daniels Tagebuch

Wohlklang mit rosaroter Brille

Glänzendes Auftaktwochenende des Jazzfests Bonn im Münster
  • 02.05.2025 19:00:00

  • Münster, Bonn, Deutschland

  • sonnig 26°C

  • #TB,

Paolo Fresu (links) und Richard Galliano im Bonner Münster

Wenn mehr als 500 Menschen am Ende eines Konzerts „La vie en rose“ summen, Édith Piafs Paris-Hymne beseelt mit in die warme, frühsommerliche Nacht tragen und in bester Urlaubsstimmung sind – als läge Bonn an der Seine –, dann haben die Musiker alles richtig gemacht. Richard Galliano, der Star-Akkordeonist aus Paris, und Paolo Fresu, der gefeierte Trompeter von Sardinien, nahmen das Publikum am zweiten Abend des Jazzfests im ausverkauften Bonner Münster mit auf eine spannende musikalische Reise, gewürzt mit mediterranem Flair und wunderbaren Hörerlebnissen.

Schon bei der barock inspirierten „Aria“, die das Konzert eröffnete, entfaltete sich die Magie des Raums: Galliano spielte vor den Stufen zum Hochchor, während Fresu ihm auf dem Mittelgang des Langhauses mit dem Flügelhorn entgegenkam – ein Gänsehautmoment.

Immer wieder wechselten die Musiker ihre Positionen, was dem Publikum ein faszinierendes, räumlich erfahrbares Klangerlebnis bescherte. Die hallige Akustik ließ Töne und Melodien ineinanderfließen, überlagerte sie mit unerwarteten Effekten, die sich teils der Kontrolle entzogen – zum Genuss der Zuhörer.

So unterschiedlich Akkordeon – das wie eine Orgel durch den Kirchenraum brausen kann – und Trompete – deren warmer, fließender Ton eher minimalistisch anmutet – auch sind: An diesem Abend verbanden sie sich zu einer zauberhaften Symbiose. Das lag nicht zuletzt an den beiden Künstlern, die trotz ihrer Gegensätze hervorragend harmonierten: Fresu, eher zu Hause im asketischen Jazz eines Miles Davis, und Galliano, der mit seiner „New Musette“ und Pariser Folklore opulenter agiert.

Mit Joseph Kosmas‘ „Les feuilles mortes“, Chansons wie „Les Moulins de mon coeur“ von Michel Legrand oder „Que reste-t-il de nos amours“ von Charles Trenet gerieten die beiden ins musikalische Schwelgen. Wenn Fresu einen seiner minutenlangen, anhaltenden Trompetentöne durch das Kirchenschiff strömen ließ, nutzte Galliano die Zeit, um augenzwinkernd ein paar Takte des Beatles-Klassikers „Hey Jude“ einzuflechten.

Die Musiker loteten die ganze Bandbreite ihres Könnens aus. Sie hangelten sich von Gallianos tänzerisch-beschwingter „Belle-Île-en-Mer“ über Fresus kontemplative „Pavese“ bis hin zur berührenden Ballade „Khooneye Ma“ von Marjan Farsad. Zum Abschluss landeten sie bei einem Renaissance-Madrigal: Claudio Monteverdis „Si dolce è‘l tormento“, in dem beide noch einmal all ihre Emotionalität und Spielfreude legten.

Tosender Applaus im Münster. Nach der Zugabe „La vie en rose“ setzten alle – bildlich gesprochen – ihre rosaroten Brillen auf und gingen ins Wochenende.

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