Daniels Tagebuch

Bernhard Schimplesberger und das Beethoven Orchester

Beethoven Orchester und Percussionist Bernhard Schimpelsberger beim Beethovenfest
  • 12.09.2025 19:30:00

  • Oper , Bonn, Deutschland

  • sonnig/bewölkt 20°C

  • #TB,

Mit Trommelstöcken um die Welt

Percussionist Bernhard Schimplesberger und das Beethoven Orchester.

Seit der Multiperkussionist und Österreicher Martin Grubinger 2006 mit seinem siebenstündigen „Percussive Planet“-Marathon beim Bonner Beethovenfest für Furore sorgte, ist die Welt für die Schlaginstrumente eine andere, bessere geworden. Er hat sie mit Virtuosität und jugendlichem Charme raus aus der Nische geholt und als Attraktion mitten hinein in die Konzertsäle dieser Welt platziert. Einer seiner vielen Nachfolger ist sein Landsmann Bernhard Schimpelsberger, der zurzeit als Beethoven-Fellow für das Beethovenfest in Bonner Konzertsälen unterwegs ist. Jüngste Station: das Opernhaus, wo er mit dem Beethoven Orchester die Uraufführung der „Great Circles“ des in London lebenden Multiinstrumentalisten und Komponisten Barak Schmool spielte. Auch dieses Stück könnte man gewissermaßen als „Percussive Planet“ beschreiben.

Würde man das Konzert bei geschlossenen Augen hören, wäre man geneigt, den Solisten am zunächst dominierenden Marimbaphon zu verorten. Doch davor steht einer der Perkussionisten des Orchesters, der sozusagen für den musikalischen Herzschlag des ersten Satzes zuständig ist. Er gibt Orientierung, während Schimpelsberger eher vorsichtig geräuschartige Klänge beimischt. Ein Zeichen dafür, dass es Schmool (und Schimpelsberger) nicht darum geht, das Schlagzeug als Soloinstrument in den Vordergrund zu stellen, sondern Klänge zu verschmelzen: das ganze Orchester ein „Percussive Planet“. Besonders eindrucksvoll ist das zu Beginn des dritten Satzes „Earth“ zu vernehmen, wo Schimpelsberger das tansanische Daumenklavier mit seinen Schlegeln relativ leise zum Klingen bringt, während das Orchester mit Schlagwerk, Bläsern und zurückhaltenden Streichern einen rhythmisch polyphonen Klangteppich webt. Orchesterchef Dirk Kaftan und seine Musikerinnen und Musiker brachten die Komplexität und Vielschichtigkeit dieser Rhythmen mit feinster Raffinesse zum Klingen.

Bei alldem aber fand Schimpelsberger durchaus noch genügend Raum, sich und seine Kunst eindrucksvoll zu entfalten. Er entlockte seiner Batterie eine Unzahl unterschiedlicher Rhythmen und Klangfarben, mit denen er in dem etwa halbstündigen Werk immer wieder zum Hinhören einlud, in den wilden Ausbrüchen ebenso wie in den ruhigeren, fast meditativen Phasen des Stückes. Sehr eindrucksvoll die Einbeziehung der nordindischen Rhythmussprache „Konnakol“, bei der er zunächst sprachlich komplexe Rhythmen formt, bevor er sie auf seine Instrumente übersetzt.

Mit kultureller Aneignung hat das übrigens nichts zu tun. Denn in jedem Takt ist der große Respekt des Komponisten und des Solisten vor den Quellen zu erkennen. Nach der mitreißenden brasilianischen Lebensfreude, die im Finale zum Ausdruck kommt, folgte begeisterter Applaus. Und eine Zugabe auf einer kleinen indischen Handtrommel, bei der das Publikum eingeladen war, fingerschnipsend einzustimmen.

Auch beim anschließenden Repertoire-Klassiker spielte das Schlagwerk eine bedeutende Rolle. In Hector Berlioz‘ „Symphonie fantastique“ aus dem Jahr 1830 verstärkt es den albtraumhaften Charakter der musikalischen Erzählung, illustriert Hinrichtung, Hexensabbat und dämonische Visionen. Berlioz, der ein Meister der Orchestrationskunst war, demonstriert ganz besonders in der zuvor so noch nie gehörten Verwendung des Schlagzeugapparates seine Innovationskraft. Ein fünfsätziges, programmatisches Werk, das die Geschichte eines jungen Künstlers erzählt, der von unerfüllter Liebe in einen Drogenrausch getrieben wird. Jeder Satz stellt eine Station dieser Vision dar – von leidenschaftlicher Sehnsucht und einem heiteren Ball über idyllische Naturbilder bis hin zum Gang zum Richtplatz und einem grotesken Hexensabbat. Das Beethoven Orchester machte unter Kaftans Leitung daraus einen großen Kinoabend für die Ohren. Ein packender Abschluss der Konzert-Ära im Opernhaus. Beim nächsten Freitagskonzert sieht man sich in der Beethovenhalle wieder.

← Marialy Pacheco spielt den Bösendorfer, Francesco Tristano den Steinway Sommerferientreff →