Die Pianistin Hanna Shybayeva spielte beim Beethoven Piano Club einen Ausschnitt aus Keith Jarretts „Köln Concerto“ Im Pantheon hören 250 Zuschauer gebannt zu.
Keith Jarrett wäre vermutlich sehr glücklich gewesen, hätte er nach der beschwerlichen Fahrt von der Schweiz nach Köln, die er im Januar 1975 im Beifahrersitz eines winzigen Renault R4 zubrachte, einen solchen Bösendorfer-Flügel spielen können: Schwarz glänzend und majestätisch thronte das Instrument jetzt auf der Bühne des Beethoven Piano Clubs im Bonner Pantheon. Für seinen Auftritt in der Kölner Oper hatte Jarrett sich solch ein Instrument ausdrücklich gewünscht – musste sich aber mit dem kleineren verstimmten und lädierten Probenflügel zufriedengeben. Das „Köln Concert“, das er am 24. Januar 1975 gab, wurde dennoch legendär, der Mitschnitt zum meistverkauften Solo-Jazz-Album aller Zeiten.
Das goldene Jubiläum dieses magischen Moments der Jazzgeschichte war nun Anlass für den Piano Club, sich dem „Köln Concert“ zu widmen. Zuständig war die aus Weißrussland stammende niederländische Pianistin Hanna Shybayeva, die das Hauptprogramm gestaltete. Sie spielte an dem Bösendorfer-Flügel aus Part II des „Köln Concert“. Jarrett hatte die Musik damals aus dem Augenblick heraus entwickelt, jeder Ton, jede Harmonie, jede rhythmische Figur und Phrase war frei improvisiert. Ein Spiel mit vollem Risiko ohne Netz.
Erst in der Überlieferung gerann die vergängliche freie Improvisation zum unvergänglichen Werk – zunächst durch die Schallplattenaufnahme und dann die aus dieser Quelle destillierten Transkriptionen.
Natürlich steht eine live gespielte Interpretation des „Köln Concerts“ im Widerspruch zur Idee der freien Improvisation. Doch sie erzeugt auch eine gewisse Demut vor Jarretts unfassbarer Kunst, seinem Einfallsreichtum, Stilbewusstsein und seiner virtuosen Spielfreude. Shybayeva spielte den Part IIa mit zupackender Verve, Tempo und Einfühlungsvermögen in die musikalische DNA dieser Musik – wobei man überraschenderweise den speziellen Klang des nur notdürftig instandgesetzten Kölner Bösendorfers fast schon vermisste.
Mit ebenso sicherem Gespür gestaltete sie auch das Programm um diese intensiven Minuten herum, das mit der „Odessa Suite“ des ukrainischen Jazzpianisten Vadim Neselovskyi einen zweiten Schwerpunkt erhielt, um den sich weitere Stücke unter anderem von Alexander Skrjabin rankten. Neselovskyi selbst hatte die eigentlich 13-teilige Hommage an seine Heimatstadt vor fast drei Jahren im Beethoven-Haus in Bonn aufgeführt. Nun erinnerte Shybayeva damit an den dritten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine. Auch in den vier ausgewählten Nummern überzeugte sie mit virtuosem Zugriff. Sie hoffe, ihr Programm würde durch „magischen Klebstoff“ zusammengehalten, sagte sie zu Beginn. Es hat funktioniert, wie die begeisterte Reaktion der etwa 250 Konzertbesucher zeigte.
Nach der Pause startete der Bonner Jazzpianist Marcus Schinkel das Club-Programm mit einer packenden Improvisation über das „Köln Concert“, das auch seinen künstlerischen Weg enorm beeinflusst hat. Piano-Club-Gastgeberin Susanne Kessel trug Stücke aus ihrem Kompositionsprojekt „Freiheit!“ vor – unter anderem eines, das David-Bowie-Pianist Mike Garson für sie schrieb. Und beendete ihren Auftritt mit einer Improvisation über Harold Arlens „Over The Rainbow“, mit der Jarrett 1984 in Tokio sein Publikum verzückt hatte.
Etwas langatmig wirkten hingegen Frank Zabels Improvisationen für Klavier und Live-Elektronik. Gabriel Nuñez brillierte daraufhin am Flügel mit dem Dreiteiler „Danses Imaginaires“. Die in Bonn lebende Pianistin Evgenia Nekrasova begeisterte noch mit brillanten Stücken von Lili Boulanger und Francis Poulenc, bevor Ratko Delorko den langen Abend nach fast vier Stunden mit Chick Coreas „Trilogy“ beendete.
Der Film „Köln 75“, der die Entstehung des „Köln Concert“ erzählt, ist als Preview am Freitag, 7. März, um 17.30 Uhr im Bonner Rex-Kino zu sehen. Gäste sind u.a. Vera Brandes, die als 18-jährige Schülerin das Konzert organisierte, und deren Darstellerin Mala Emde. Offizieller Starttermin des Films ist der 13. März.