Versuch Nummer zwei: Vor einem Jahr, ebenfalls am Karnevalssonntag, gab Max Mutzke ein fantastisches, umjubeltes Konzert in der Bonner Oper (damals zusammen mit Stefanie Heinzmann), bei dem er zahlreiche Stücke auf seine ganz besondere, charmante Art interpretierte – unter anderem „Verdamp lang her“. Aber auf hochdeutsch. Im Rheinland. Am Karnevalssonntag. Keine gute Idee. Damals übernahm das Publikum. Diesmal Wolfgang Niedecken. Der BAP-Frontmann und Songpoet stand schon lange auf der Wunschliste für Mutzkes Konzerte im Rahmen von „Quatsch keine Oper“, bei denen bis zum Termin absolutes Stillschweigen über den jeweiligen Überraschungsgast bewahrt wird und das Publikum darauf vertraut, dass es schon gut werden wird. Was bislang immer so war. Der vergangene Sonntag verlief nicht anders, trotz einiger musikalischer Abstimmungsprobleme im Hintergrund. Und trotz „Verdamp lang her“ auf hochdeutsch.
Eigentlich hätte bei diesem Konzert nichts, aber auch wirklich gar nichts schief gehen dürfen. Immerhin hatte Mutzke eine All-Star-Band zusammengestellt, bestehend aus Pianist Mike Herting, Gitarrist Bruno Müller, Perkussionist Rhani Krija, Bassist Claus Fischer und dem jungen Jazz-Trompeter Jakob Bänsch, der ein ums andere Mal mit brillanten Soli begeistert und ohne Zweifel der drittwichtigste Mann auf der Bühne war – was für eine traumhafte Besetzung. Allerdings gab es des Öfteren unterschiedliche Vorstellungen beim Tempo, insbesondere bei Fischer, der es eher gemütlich angehen wollte, egal welche Impulse etwa von Herting kamen.
Bei Mutzkes „California Spider“ musste dann wiederum Krija nach einem spontanen Klavier-Intro das Tempo deutlich anziehen, um dem Stück den nötigen Groove zu verleihen. Derartige Unstimmigkeiten wären nun wirklich nicht nötig gewesen. Andererseits war das Programm an sich für das Publikum ein Genuss.
Sowohl Mutzke als auch der mit stehenden Ovationen empfangene Niedecken sind einfach exzellente Geschichtenerzähler, in den Moderationen ebenso wie in ihren jeweiligen Songs. Gleichzeitig zeigte sich die unterschiedliche musikalische Prägung der beiden Künstler: Der vom Soul inspirierte Mutzke dreht Szenen von amerikanischen Highways und Begegnungen in der Bahn schnell ins Private, setzt der sozialen Kälte die Wärme der Familie und der Liebe entgegen, während Niedecken ganz in der Tradition von Bob Dylan und Pete Seeger steht, den Finger wie etwa mit „Absurdistan“ in die Wunde legt und der Ungerechtigkeit in der Welt mit Protestsongs begegnet. Beides funktioniert, wie der Abend in der Bonner Oper zeigte. Zumindest bis zu einem gewissen Punkt. Denn eins fiel auf: Während Mutzke immer wieder versuchte, bei Niedeckens Songs zumindest den Refrain mitzusingen oder einzelne Strophen – auf hochdeutsch – zu übernehmen, gab es umgekehrt keine gemeinsamen Nummern. Selbst „Alles so weit weg“, was Mutzke durchaus als Duett konzipiert hat (eine entsprechende Fassung mit dem Rapper Eko Fresh soll demnächst veröffentlicht werden), blieb eine Solo-Nummer. Irgendwie schade.
Natürlich gab es auch abseits der Musik verschiedene Anknüpfungspunkte. Niedeckens USA-Reise auf den Spuren Bob Dylans, die in einer fünfteiligen ARTE-Dokumentation und einer Tour mit mehr als 100 Konzerten mündete, konnte Mutzke zwar nicht toppen, seine Begegnung mit einer großen Spinne auf einem Highway nahe Los Angeles, die er auch in seiner Biografie „So viel mehr“ verarbeitet hat, verfügt aber zumindest über einen Hauch von Road-Trip-Charme. Dazu kommen die üblichen Sorgen des Musiker-Daseins, insbesondere die des häufigen Nicht-Daseins im Alltag der Familie. „Manchmal wünsche ich mir, ich könnte einen ganz normalen Job haben und jeden Nachmittag um fünf Uhr nach Hause zu meinen Kindern kommen“, sagte Mutzke an einer Stelle.
Und Niedecken? Nickte wissend. Er sei früher oft mit Frau und Kindern nach Mallorca geflogen, weil man von dort aus auch schnell wieder für ein Wochenend-Konzert zurück nach Deutschland komme, erinnerte er sich. „Einmal hatte ich drei Auftritte hintereinander“, erzählte er. „Als ich wieder da war, fragte meine Tochter ‚wie, der Papa war weg?‘“
Anekdoten wie diese kamen beim Publikum erwartungsgemäß gut an. Die Höhepunkte des Abends waren aber dennoch musikalischer Natur: Das gemeinsame „Mighty Quinn“, das Dylan schrieb und das Manfred Mann berühmt machte, den BAP-Klassiker „Jraaduss“ – und natürlich „Verdamp lang her“, dessen Refrain das Publikum so laut sang, als wäre die dreifache Menge im Saal. „Letztes Jahr war das schon der Hammer“, erzählte Mutzke nachher Niedecken, „aber es ist unglaublich, was es ausmacht, wenn du dabei bist.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Bruno Müller - Gitarre
Jakob Bänsch - Trompete
Mike Herting - Klavier
Rhani Krija - Perkussion
Claus Fischer - Bass