Daniels Tagebuch

Duo und Raum im Dialog

Zauberhaftes Jazzfest-Intro - Wolfgang Muthspiel und Peter Materna im Bonner Münster
  • 21.11.2025 19:30:00

  • Münster Basilika, Bonn, Deutschland

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  • #TB,

Wolfgang Muthspiel und Peter Materna im Bonner Münster

Draußen herrscht dichtes Gedränge in der Budenstadt des Bonner Weihnachtsmarktes; zwischen Bratwurst- und Glühweinduft geben zwei singende und sprechende Hirsche den Ton an. Drinnen: feierliches Ambiente, lang anhaltende Saxofontöne und einzelne Gitarrenakkorde, die den Kirchenraum erkunden, die festlich erleuchtete Basilika mit jazzigen Klängen fluten und die Besucher im fast voll besetzten Bonner Münster in eine voradventliche Stimmung versetzen. Es ist inzwischen eine Tradition, dass sich der Saxofonist Peter Materna, Intendant des Jazzfests Bonn, parallel zur Eröffnung des Weihnachtsmarkts und einen Tag vor dem Vorverkaufsstart für das nächste Jazzfest Bonn einen Gast ins Münster zu einem „Intro“ einlädt. Eine Art Blind Date, bei dem zwei Musiker bisweilen erstmals zusammenspielen und improvisieren, gemeinsam eigene Stücke und jeweils Titel des anderen spielen und sich auf eine Reihe von Standards verständigen, die sie bearbeiten.

Am Freitagabend war – direkt aus Wien – der wunderbare Gitarrist Wolfgang Muthspiel zu Gast, ein Meister darin, klassische Spielkultur mit verblüffenden Ideen zu verknüpfen und musikalische Strukturen aufzubrechen. Dabei operiert er ganz ähnlich wie der Saxofonist Materna – und beide lieben das Improvisieren. Und so begann der Abend im Bonner Münster auch mit einer Improvisation über ein Materna-Stück. Wobei es anfangs mit einzelnen Tönen und Akkorden, die quasi erkundend in den Kirchenraum geschickt wurden, darum ging, den dritten Akteur des Konzerts – das Bonner Münster und seine sehr individuelle Akustik – ins Spiel zu bringen. Ein mit seinen Halleffekten, durch die einzelne Töne ziemlich lang unterwegs sind, ziemlich schwieriger und dominanter Partner. Man arrangierte sich, spielte langsam und möglichst nacheinander, um unglückliche Überlagerungen und ungewollte Dissonanzen zu verhindern. Dass das Saxofon mit seinem Volumen die besseren Karten beim Zusammenspiel im halligen Raum hat, merkte man schnell – Muthspiel hatte es nicht leicht.

Gleichwohl gelangen dem Duo (mit dem Münster als Trio) berückende Momente und großartige Effekte, ferner Improvisationen, die allseits bekanntes Material neu und sehr originell interpretierten: „Autumn Leaves“, ein Standard, den eigentlich jeder mitsummen kann, schlich sich quasi durch die Hintertür ins Münster – Materna und Muthspiel streuten in ihrer Improvisation anfangs nur einzelne musikalische Hinweise auf das Stück, der Groschen fiel erst in den letzten Takten. Spannend. Maternas Evergreen „The Dancer“ tänzelte schwerelos durch das Kirchenschiff, Muthspiels „Raumzeit“ entpuppte sich als raffiniertes Spiel mit sparsamen Klanggespinsten im Dialog mit der Stille. Horace Silvers Hymne „Peace“ brachte mit emotionalen Soli eine ganz besondere Stimmung in den Raum, bei Charlie Hadens gefühliger Ballade „Our Spanish Lovesong“ griffen Gitarre und Saxofon derart perfekt ineinander, dass ein ganz eigener gemeinsamer Klang entstand.

Die beiden Musiker beendeten diesen geradezu meditativen Abend stilvoll mit „Stella by Starlight“ von Victor Young – bisweilen mit witzigen Pointen versehen. Lacher und viel Applaus für dieses Intro im Münster. Muthspiel, der 2025 beim Jazzfest im Collegium Leoninum mit einem tollen Soloprogramm glänzte, kommt 2026 wieder – mit seinem Chamber Trio und einem neuen Album.

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